Axiale Spondylarthritis
Die Axiale Spondyloarthritis (SpoA) ist eine chronische, entzündlich-rheumatische Systemerkrankung der Wirbelsäule.
Die Erkrankung beginnt in der Regel zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Ein Erkrankungsbeginn nach dem 45. Lebensjahr ist selten. Die Geschlechtsverteilung ist 1 : 1. Je nach Literatur sind circa 1,9 % der Bevölkerung von der SpoA betroffen.
Die Ursachen und Risikofaktoren für die Autoimmunreaktion des Körpers sind letztlich unbekannt. Bei der Krankheitsentstehung spielen vermutlich genetische, immunologische, infektiologische und Umweltfaktoren eine Rolle. Die SpoA ist nicht ansteckend. Außer dem Nachweis von Entzündungszeichen und des HLA B27 finden sich keine krankheitsspezifischen Laborbefunde.
Im Vordergrund stehen sogenannte entzündliche Rückenschmerzen. Charakteristisch für diesen entzündlichen Rückenschmerz sind folgende Merkmale:
- Alter bei Beginn < 40 Jahre
- langsamer Beginn
- Besserung bei Bewegung aber nicht in Ruhe
- Erwachen in der 2. Nachthälfte wegen tief sitzender Rückenschmerzen mit Besserung durch Aufstehen
- Morgensteifigkeit > 30 Minuten
- alternierender Gesäßschmerz.
Die Beweglichkeit ist schmerzassoziiert eingeschränkt und der Allgemeinzustand kann reduziert sein. Im Einzelfall kann aufgrund der assoziierten Sehnenbeschwerden ein Fibromyalgie-Syndrom bzw. ein chronisches Schmerzsyndrom fehldiagnostiziert werden.
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule können die Diagnose der SpoA erschweren. Hier können Anamnese, Gelenkveränderungen, Laborbefund, Röntgenbild und Kernspintomographie wesentliche Hinweise geben. Insbesondere bei jungen Patienten ist bei positiver Familienanamnese (einschließlich Regenbogenhautentzündung, Schuppenflechte, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) eine rheumatologische Abklärung zu empfehlen.
Fibromyalgie-Syndrom
Die Fibromyalgie, im Volksmund auch nicht-entzündliches Weichteilrheuma genannt, welches mit diffusen Muskel- und Gelenkschmerzen einhergeht, kann zum Teil ähnliche Beschwerden wie die axiale Spondylarthritis verursachen. Diese können aber in der Regel gut voneinander abgegrenzt werden, da bei dem Fibromyalgie-Syndrom die Entzündungswerte im Blut normalerweise nicht erhöht sind.
Bei Patienten mit entzündlichem Rückenschmerz sollte grundsätzlich an die Möglichkeit einer SpoA gedacht werden.
Zunächst wird der Rheumatologe den Patienten nach seinem allgemeinen Gesundheitszustand befragen (Anamnese). Dazu gehört das Erfragen von allgemeinen und speziellen Beschwerden, Vorerkrankungen sowie der aktuellen Medikation. Eine anschließende körperliche Untersuchung, Blutuntersuchung, bildgebende Untersuchungen (Röntgen, Sonographie, MR-Tomographie, etc.) führen schließlich zur Diagnosestellung.
Klassifikationskriterien
Die SpoA wird mit Hilfe der Klassifikationskriterien der Assessment of SpondyloArthritis international Society (ASAS) klassifiziert1. Gleichwohl die Klassifikationskriterien für Studienzwecke erstellt wurden sind diese bei der allgemeinen Diagnosestellung hilfreich.
Ziel der Behandlung ist die rasche und konsequente Unterdrückung jedweder Entzündungsaktivität mit folglicher Beschwerdefreiheit (bei Frühdiagnose)2.
Medikamente
Nicht-steroidale Antirheumatica (NSAR)
NSAR bleiben Medikamente der ersten Wahl bei Patienten mit Schmerzen und Wirbelsäulensteifigkeit, wobei ein kardiovaskuläres, renales und gastrointestinales Risiko bei der Verschreibung berücksichtigt werden sollte.
Disease-modifying anti-rheumatic drugs (DMARD)
DMARDs greifen in Abläufe des Immunsystems ein und können die dauerhafte Schädigung der Wirbelsäule abwenden. Konventionelle DMARDs wie beispielsweise Methotrexat, Leflunomid oder Sulfasalazin zeigen hier jedoch keine Wirkung.
Biologika (bDMARDs), hier vor allem die TNFalpha-Blocker, die Interleukin 17-Blocker und Interleukin 12/23-Blocker, werden nach Diagnosestellung im gemeinsamen Entscheidungsprozess mit den Patienten entsprechend der Leitlinien der Therapie der SpoA regelmäßig Anwendung. Biologika sind aufwendig produzierte Antikörperkonstruktionen, die relativ präzise in bestimmte Abläufe des Immunsystems eingreifen und dabei gegen Zytokine (Botenstoffe der Entzündung) gerichtet sind. Diese Substanzen haben eine starke entzündungshemmende Wirkung an der Wirbelsäule, Sehnen und entzündeten Knochenstrukturen. Eine Behandlung mit Biologika wird in der Regel gut vertragen. Wichtig ist allerdings vor deren Einsatz eine Tuberkulose und eine Virushepatitis auszuschließen.
Kortison
Systemische Steroide haben in der Therapie der SpoA keinen Stellenwert.
Osteoporoseprophylaxe
Auf eine ausreichende Kalzium- und Vitamin D-Zufuhr zur Osteoporoseprophylaxe ist zu achten (siehe „Allgemeinmaßnahmen durch den Patienten und die betreuenden Ärzte“). Grund hierfür ist die entzündlich-rheumatische Systemerkrankung, die an sich einen Risikofaktor für die Osteoporose darstellt. Um zu ermitteln, ob neben der ausreichenden Kalzium- und Vitamin D-Zufuhr eine zusätzliche medikamentöse Therapie notwendig ist, ist es erforderlich, eine sogenannte Knochendichtemessung durchführen zu lassen3.
Allgemeinmaßnahmen durch den Patienten und die betreuenden Ärzte
■ Regelmäßige Kontrollen beim Hausarzt und Rheumatologen zur Beurteilung der Krankheitsaktivität, Therapieüberwachung und Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren (Blutdruck, Blutfette, Blutzucker, usw.)
■ Bedarfsweise psychosomatische oder psychotherapeutische Mitbetreuung
■ Austausch mit anderen Betroffenen (Selbsthilfegruppen)
■ Verzicht auf Nikotin
■ Vermeidung von Übergewicht (Adipositas)
■ Ausgewogene Ernährung (mediterrane Kost)
■ Ausreichende Kalzium- und Vitamin D-Zufuhr zur Osteoporoseprophylaxe
■ Alkohol nur in Maßen
■ Regelmäßiger, aerober Ausdauersport (z. Bsp. dreimal wöchentlich à 30 Minuten)
■ Bedarfsweise ergo- oder physiotherapeutische Maßnahmen
Komorbiditäten
Wie bei allen entzündlich rheumatischen Systemerkrankungen existiert auch bei der SpoA ein teils deutlich erhöhtes Komorbiditätsrisiko für kardio-vaskuläre Erkrankungen. Das Herzinfarktrisiko ist ebenso wie das Schlaganfallrisiko aufgrund des chronischen Entzündungsprozesses erhöht und in der Risikoausprägung mit einer Diabeteserkrankung vergleichbar.
Impfungen4
Entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sind Impfungen vor allem bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen von hoher Wichtigkeit, um das krankheitsassoziierte Infektionsrisiko zu senken. Einschränkungen gibt es lediglich bei der Verwendung von Lebendimpfstoffen (Impfung z. Bsp. gegen Masern, Mumps, Röteln, usw.). Diese sind kontraindiziert, wenn eine immunmodulatorische Therapie verabreicht wird. Totimpfstoffe (Impfung z. Bsp. gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Polio, Humanes Papillomavirus, Pneumokokken, Influenza, Hepatitis, FSME, Zoster, usw.) stellen hingegen kein Problem dar. Vor Beginn einer Therapie ist es daher unbedingt erforderlich den Impfstatus auf den neuesten Stand zu bringen.
Behandlung in besonderen Situationen
Bei Fernreisen, Infekten, anstehenden Operationen oder einer (un-)geplanten Schwangerschaft5 sollten Patienten, wenn möglich Kontakt mit ihrem behandelnden Rheumatologen aufnehmen, da die Therapie gegebenenfalls entsprechend angepasst werden muss.
Unter adäquater Therapie kommt es bei den meisten Patienten zu einer Beschwerdeabnahme bis hin zu einer kompletten Beschwerdefreiheit (Remission). Letzteres ist Ziel der Behandlung, da hierdurch Komplikationen der Erkrankung (z. B. Versteifung der Wirbelsäule mit entsprechenden Behinderungen) und Ihrer Komorbiditäten (z. B. Herzinfarkt und Schlaganfall) vermieden werden können.
Risikofaktoren für einen schwierigen oder langwierigen Krankheitsverlauf sind unter anderem männliches Geschlecht, erhöhte Entzündungswerte, Nikotinkonsum und eingeschränkte Compliance /basierend auf Zusammenarbeit und Vertrauen zwischen Arzt und Patient) . Insgesamt hat sich die Prognose des SpoA-Patienten in den letzten Jahrzehnten durch den Einsatz moderner Therapiekonzepte (insbesondere frühe Therapie, Umsetzen des »tight control«-Konzeptes und Einsatz der bDMARDs) erheblich verbessert.
Berufsverband Deutscher Rheumatologen e.V.
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Internet: www.bdrh.de
Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V.
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53111 Bonn
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Luisenstraße 41
10117 Berlin
Tel: 030 / 24048470
Fax: 030 / 24048479
Internet: www.dgrh.de oder www.rheumanet.org
1 Rudwaleit M et al. The development of Assessment of SpondyloArthritis international Society classification criteria for axial spondyloarthritis (part II): validation and final selection. Ann Rheum Dis 2009; 68: 777 – 783.
2 van der Heijde D, Ramiro S, Landewé R et al. 2016 update of the ASAS-EULAR management recommendations for axial spondyloarthritis. Ann Rheum Dis 2017; 76: 978 – 9 91.
4 Goldacker S, Gause A M and K. WarnatzK. Impfung bei erwachsenen Patienten mit chronisch entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Z Rheumatol 2013 · 72:690–704.
5 Götestam Skorpen C, Hoeltzenbein M, Tincani A, et al. The EULAR points to consider for use of antirheumatic drugs before pregnancy, and during pregnancy and lactation. Annals of the Rheumatic Diseases 2016;75:795-810.
In diesem Text wird der Einfachheit halber zumeist die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist dann in diesen Fällen selbstverständlich mit eingeschlossen.